Sie können anpacken: Baustellen sind die berufliche Heimat der beiden Auszubildenden Lina Wallbaum (Zimmerin) und Vivien Abels (Maurerin).
Frauen im Emsland auf dem Bau: Zwei Auszubildende zeigen, dass es geht

„Da siehst du gar nicht nach aus“

Von der Männerwelt wird ihre Arbeit noch immer vielfach kritisch beäugt. Doch davon lassen sich Lina Wallbaum und Vivien Abels nicht beeindrucken. Warum auch? Auf den Baustellen des Bauunternehmens Terfehr aus Rhede zeigen die beiden Auszubildenden ihr Können – und dass sie in der Lage sind, die mitunter derben Sprüche zu kontern.

Weibliche Fachkräfte in handwerklichen Bauberufen sind noch immer eine Seltenheit in Deutschland. Der Frauenanteil auf der Baustelle ist mit etwa zwei Prozent sehr niedrig, bei Auszubildenden liegt die Quote bei dreieinhalb Prozent. Zahlen, die auch für das Emsland gelten. Warum?

„Es herrscht leider immer noch das Klischee vor, dass die Baustelle eine Männerdomäne ist. Dass ein Mann die dort anfallenden Arbeiten besser kann, ist aber völliger Schwachsinn“, sagt Gerrit Terfehr. Er ist Obermeister der Baugewerksinnung Aschendorf-Hümmling und Geschäftsführer des Bauunternehmens Terfehr in Rhede. Dass Frauen es mindestens genauso gut können, beweisen aktuell Lina Wallbaum und Vivien Abels. Die beiden befinden sich in der Unternehmensgruppe in ihrer Ausbildung und haben über ihre Arbeit, das Verhalten der männlichen Kollegen sowie die Reaktion ihrer Freunde und Eltern einiges zu berichten.

Vivien Abels wird Maurerin, Lina Wallbaum ist angehende Zimmerin

Beide befinden sich derzeit in ihrem zweiten Lehrjahr. Während Vivien Abels (20 Jahre) aus Rhede sich zur Maurerin ausbilden lässt, darf sich Lina Wallbaum (19) aus Stapelmoorerheide nach Bestehen der Abschlussprüfung ausgebildete Zimmerin nennen. In ihren Ausbildungsklassen an den Berufsbildenden Schulen (BBS) Papenburg vertreten sie das weibliche Geschlecht exklusiv.

Der Weg ins Handwerk wurde in beiden Fällen schon im Elternhaus vorgezeichnet. „Mein Vater arbeitet als Maurer bei Terfehr. Ich habe schon vor meiner Ausbildung einige Praktika und Ferienjobs auf der Baustelle absolviert“, berichtet Abels.

Und auch bei der angehenden Zimmerin war der Rohstoff Holz am Familientisch stets präsent. „Mein Vater ist gelernter Tischler, mein Bruder arbeitet im Holzhandel. Zu Hause habe ich viel selbst gewerkelt und Gefallen daran gefunden“, so Wallbaum.

Tochter will Maurerin werden: Warum die Eltern erst Bedenken hatten

Von ihrer Entscheidung, nach dem jeweiligen Abitur eine Ausbildung im Handwerk zu beginnen, war in beiden Fällen nicht jeder begeistert. „Mein Papa hatte erst Bedenken, weil er aus eigener Erfahrung ja weiß, wie körperlich anstrengend der Beruf ist“, erklärt Abels. Und auch ihre Mutter sei wenig erfreut von ihrem Berufswunsch gewesen. „Sie sieht bei Papa ja, wie sehr das auf die Knochen geht.“

Dass die Tage auf dem Bau lang und anstrengend werden können, hat die 20-Jährige gerade zu Beginn ihrer Ausbildung auch gemerkt. „Mittlerweile hat sich das aber eingespielt. Ich kann alles machen, was die Jungs auch können“, betont Abels.

Gleiches gilt für Wallbaum. „Die Männer unterschätzen uns manchmal und wollen uns beispielsweise beim Tragen von Dachsparren helfen. Dass wir das auch können, damit haben sie zu Beginn nicht gerechnet“, berichtet die 19-Jährige. Beide betonen, dass sie auf der Baustelle genauso behandelt werden wollen, wie die männlichen Auszubildenden. „Mittlerweile ist das auch so“, stellt die angehende Zimmerin fest.

Sehr vorsichtig und zurückhaltend sei die männliche Zunft sowohl auf der Baustelle als auch in der BBS-Klasse gewesen, was den Sprech auf dem Bau betrifft. „Die waren zu Beginn alle so schüchtern und übervorsichtig mit dem, was sie sagen. Keiner wollte einen Spruch loslassen“, erinnert sich die angehende Maurerin Abels über männliche Mitschüler an den BBS. Nachdem die Männer aber festgestellt hätten, dass sie es mit zwei coolen und taffen Frauen zu tun haben, legte sich die Zurückhaltung. „Dass der Ton mal rauer und derber ist, damit können wir gut umgehen. Wir haben auch kein Problem damit, einen Spruch zu kontern“, zeigen sich beide selbstbewusst. Frauenfeindliche Sprüche hätten sie noch nie gehört.

Bei Abels wurde zu Beginn ihrer Ausbildung ausgehend von einem Spruch aus dem Freundeskreis ein besonderer Ehrgeiz geweckt. „Die haben anscheinend einen anderen Beruf erwartet“, erklärt die angehende Maurerin. „Da siehst du gar nicht nach aus“, habe sie zu hören bekommen. Auf ihre Frage, wie eine Maurerin denn auszusehen habe, bekam sie nach eigenen Angaben aber keine Antwort.

Bauen und Wohnen im Emsland

Im Moment fühlen sich beide auf den Baustellen von Terfehr pudelwohl. Und zu tun gibt es reichlich: Im Emsland wird weiterhin gebaut, auch wenn die Grundstückspreise in den vergangenen Jahren auch hier etwas teurer geworden sind. Im Jahr 2025 beträgt der durchschnittliche Quadratmeterpreis für Grundstücke etwa 149 Euro (119-179 Euro), wobei der Preis für Grundstücke im Bereich von 250-500 m² mit durchschnittlich knapp 200 Euro am höchsten ist.

Die teuersten Quadratmeterpreise findet man in Lingen, Emsbüren, Salzbergen und Spelle, die günstigsten in Heede, Walchum und Sustrum. Im Niedersachsen-Vergleich liegt das Emsland damit auf Platz 34 von 45. Bundesweit liegen die durchschnittlichen Bodenpreise im Emsland auf Platz 300 von 400. Und dafür lässt es sich im Emsland ziemlich gut Bauen und Wohnen. Für Vivien Abels und Lina Wallbaum soll es nach ihren Ausbildungen aber noch weiter gehen.

Beide wollen nach der Ausbildung ein Studium aufnehmen

Bei beiden Handwerkerinnen steht nun die Zwischenprüfung an, 2026 folgt der Abschluss der Berufsausbildung. Und dann? Sowohl Abels als auch Wallbaum streben ein Studium nach abgeschlossener Lehre an. Während die angehende Maurerin sich in Richtung Architektur oder Bauingenieurwesen orientieren könnte, kann sich Wallbaum nach der Hochschule eine Tätigkeit als Lehrerin an einer BBS mit entsprechender Fachrichtung vorstellen.

Dass in beiden Fällen vor dem Studium eine Ausbildung in Angriff genommen wurde, begrüßt Gerrit Terfehr. „Das Handwerk zunächst von der Pike auf zu lernen, ist für den anschließenden Werdegang richtig und wertvoll.“

Warum Frauen in handwerklichen Bauberufen kaum vertreten sind, kann Terfehr nicht nachvollziehen. „Viele Betriebe können sich das einfach noch immer nicht vorstellen. Da wird eine große Chance vertan“, weiß der Bauingenieur und ergänzt: „Eigentlich können wir uns das nicht erlauben.“

Christian Belling/Lars Schröer/emsland.info